DIE ALCHEMIE DER UTOPIE. Frankfurter Poetikvorlesungen 2009
Zu Beginn des neuen Jahrs skizziert Werner Fritsch in fünf Vorlesungen den mit atemberaubender Dynamik expandierenden Kosmos seines vielfältig polymedialen, Gattungsgrenzen überschreitenden Werks, das Romane ebenso wie – häufig von ihm selbst realisiert - Hörspiele, Theaterstücke und Filme umfasst. (Suhrkamp)

 

ENIGMA EMMY GÖRING. Monolog
Das von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste als Hörspiel des Jahres prämierte Stück von Werner Fritsch ist der Monolog einer Frau, die entweder die übriggebliebene Gattin ihres Hermann ist oder eine Frau, die glaubt, diese zu sein: auf jeden Fall der Monolog einer Schauspielerin. Alles, was sie erzählt, ist so grässlich harmlos, dass sich die lachenden Zuhörer entsetzen. Emmy, die ihre Schauspielerkarriere der Repräsentation im Zentrum der Macht geopfert hat, spricht nicht nur mit Hermann, Adolf und Gustaf, sondern auch als Hermann, Adolf und Gustaf. (Suhrkamp)

 

NICO: SPHINX AUS EIS: Monolog
Sie war Sängerin der legendären Musikgruppe Velvet Underground, modelte bei Coco Chanel, spielte in Fellinis La dolce vita und Filmen von Andy Warhol oder stand mit dem Saxophonisten von Sun Ra, mit Tangerine Dream, Kevin Ayers und Brian Eno auf der Bühne. Sie suchte die Nähe schöpferischer Rockmusiker, die auch große Lyriker waren: Bob Dylan, Lou Reed, Leonard Cohen, Jimi Hendrix und vor allem Jim Morrison, der sie ermutigte, selber Lieder zu komponieren. Als Christa Päffgen im Nazi- und Nachkriegsdeutschland aufgewachsen, begann sie ein neues, kreativ-selbstzerstörerisches Leben in Paris, New York und Ibiza. Sie war Muse und Göttin, mütterlich warm und teutonisch kühl, produktiv und todesnah – eine große Projektionsfläche, eine Sphinx aus Eis. Gegen Ende ihres Lebens hatte sie vor, mehr zu schreiben: Gedichte und ihre Autobiographie. Nun setzt der Dramatiker Werner Fritsch der unergründlichen Popikone Nico in seinem furiosen Monolog ein Denkmal, legt ihre Wurzeln und Abgründe offen und verleiht ihr eine neue, seine Sprache .(Suhrkamp)

 

HYDRA KRIEG
Werner Fritsch schreibt den Medea-Mythos neu und setzt den Akzent auf Jason und die Argonautenfahrt. Gleichzeitig versucht er, mit dem Text ins Zentrum einer terroristischen Attacke vorzudringen, die über den 11. September hinausweist. HYDRA KRIEG ist der kühne Versuch, Archaik und Aktualität zu verbinden. (Suhrkamp)

 

EULEN:SPIEGEL.
Deutsche Geschichte Werner Fritsch erschafft aus anarchischem Geist ein ganz eigenes Weltgebäude. Ärzte, Pfaffen, Braunschweiger Herzöge, Huren und Bauern: Keiner ist gegen den Witz und die Dreistigkeit Eulenspiegels gefeit. In der Figur des Eulenspiegel schlägt der Autor einen Bogen von den Märchen unserer Kindheit zu den Alpträumen unserer Gegenwart.
Werner Fritschs EULEN:SPIEGEL ist ein liederliches Possenspiel, eine verhurte Narretei, eine Traumlandschaft, ein Zauberbogen. (Suhrkamp)

CHROMA. FARBENLEHRE FÜR CHAMÄLEONS. Manila, 1963, in einem Hotelzimmer. Die letzten Stunden im Leben des Gustaf Gründgens. Er ist nicht allein. Mephisto ist bei ihm. Gründgens hat diese Rolle 1932 zum letzten Mal gespielt. Die äußere Gestalt, die Maske, die er ihm zehn Jahre später in seiner eigenen Inszenierung gab und die er fortan beibehielt, hat den teuflischen Begleiter des Faust zur zentralen Bühnenfigur des letzten Jahrhunderts gemacht und seine Person unauflöslich mit dieser Erscheinung verbunden. Dieses - sein - Geschöpf sitzt ihm nun gegenüber, sitzt ihm im Nacken, begleitet und treibt ihn gleichermaßen durch den letzten Film am Ende seines Lebens. Gründgens hat den Faust nie gespielt. Auf seiner letzten Reise werden die Rollen getauscht. Im Angesicht des Todes erscheint ihm Mephisto als jüngeres Alter ego, das ihm verweigert, sich weiter hinter seiner Maske zu verstecken. Uraufführung am 9. September 2000 auf der Expo Hannover (Produktion des Staatstheaters Darmstadt, Regie Thomas Krupa). Die Inszenierung wurde zum Berliner Theatertreffen 2001 eingeladen. TV-Aufzeichnung durch ZDF /3Sat. (Suhrkamp)

 

GOLGATHA. ALLER SEELEN Stücke und Materialien
ALLER SEELEN: Allerseelen 1943: Ein Mann wird vor den Augen seines kleinen Sohnes von Wehrmachtssoldaten unweit der slowenischen Grenze erschossen. Sie verdächtigen ihn, Partisanen unterstützt zu haben. Allerseelen 1945 die gleiche Szene in Deutschland: Aber dieses Mal wird der Mann von ehemaligen KZ-Häftlingen ermordet, die blindwütig Rache nehmen. Dazwischen liegt die Hölle eines KZs, datiert Allerseelen 1944.

GOLGATHA: Pastor Kurt, ein Mann der Friedensbewegung und Verteidiger der Schwachen, wird des Mordes an seiner Frau Corinna angeklagt. Alles spricht dafür, dass er sie bestialisch umgebracht hat. In seinem Stück zeigt Werner Fritsch den Kampf des gesellschaftlich am Pranger stehenden Geistlichen, ohne sich ein Urteil über dessen Schuld oder Unschuld anzumaßen. (Suhrkamp)

 

DIE LUSTIGEN WEIBER VON WIESAU
Werner Fritschs Lustige Weiber stammen aus Wiesau, also Deutschland, und der Zweite Weltkrieg ist gerade erst zu Ende. Die Biographien dieser Ururenkelinnen der Ford und Page aus Shakespeares „ Die lustigen Weiber von Windsor " sind exemplarisch für eine Zeit der Neuorientierung, für die Etablierung einer sich wieder formierenden Gesellschaft. Wie bei Shakespeare. Major Baron von Fall bei Fritsch ist in diesem Sinne unbehaust wie Sir John Falstaff, der edle Ritter Shakespeares, Vertreter einer verwehten Epoche, deren Vorzüge niemand mehr schätzen will und dessen Ignoranz gegenüber der gegenwärtigen Ordnung -auch in den Schlafzimmern - nun nicht mehr hingenommen wird. (Suhrkamp)

 

JENSEITS
„Ich habe sofort an Werke von Cormac McCarthy, William S. Burroughs und Thomas Pynchon gedacht. Dicht, „Over-the-top“-Bilder, eine Sprache mit vielen Ebenen, voll mit Anspielungen und Querbezügen. Ich war von dem dunklen Humor beeindruckt – und von den urkomischen und beunruhigenden szenischen Situationen“
Elliott Sharp zu JENSEITS.
Mit JENSEITS wagt sich der Autor und Filmemacher Werner Fritsch tief in die Seelenlandschaft eines Mannes, den die Unterwelt zeitlebens in Bann gezogen hat und jenseits von Gut und Böse, jenseits von Wirklichkeit und Halluzination, vielleicht schon jenseits seines eigenen Körpers befindet sich Wolfram Sexmachine Kühn, der verdächtigt wird, seine Ehefrau Cora, Mutter seines Sohnes Felix, umgebracht zu haben. Bevor ihn die Polizei stellt, wird er von jemandem, der sich hinter einer Karnevals-Hitlermaske verbirgt und ihm einen Revolver an den Kopf hält, bedroht. Wer aber ist der Mann hinter der Maske? Ist es Klostermeyer, der ehemalige Zuhälter Coras, in dessen Bett ihr toter Körper gefunden wurde? Oder einer von Klostermeyers Killern? Oder der Maler Johannes, der Cora kurz vor ihrem Tod gemalt hat? In Wolframs Kopf jedenfalls läuft wie im Zeitraffer sein Leben ab - der vielleicht >letzte Film<. JENSEITS ist: eine radikale Prosa, in der ein Mann in Sekunden des Entstetzens reflektiert, was ihm bleibend erinnerlich ist, und es dominieren: Bilder von Sex und Gewalt. JENSEITS ist: eine rauhe Prosa mit einem >>metaphysischen Glutkern<<. (Suhrkamp)



ES GIBT KEINE SÜNDE IM SÜDEN DES HERZENS. Stücke
„WENZEL in der heutigen Zeit kein Wunder. Sogar die Windmühlen gehen mit dem Strom. Gegen den Wind." Ort: Heiliggeistspital, ein Altersheim. Dort erleben wir drei Senioren, hingebungsvoll betreut von einer blutjungen thailändischen Pflegeschwester. Wenzel hat jahrzehntelang als Knecht auf einem Bauernhof gearbeitet. Jetzt ist er ins Pflegeheim abgeschoben worden, ein ewig vor sich hin murmelnder Eigenbrötler. Seine Mitbewohner sind Häcksler und Turtel. Häcksler, ein an den Rollstuhl gefesselter ehemaliger Metzger und SS- Himmelfahrtskommandant, ist immer noch scharf auf jeden Frauen - rock. Also auch auf Wenzels späte Liebe Turtel, die sich nach Leidenschaft im Fernsehformat sehnt. Überhaupt das Fernsehen! Als so ziemlich einzige Unterhaltung und Beschäftigung, die den Heimbewohnern geboten wird, bestimmt es deren Alltag und deren Fantasien. Das christliche Spiel von Leben, Tod und Auferstehung, vor dessen Hintergrund die skurrilen Szenen ablaufen, ist bei Fritsch zum flimmernden Fernsehbild verkommen. Sein "Höllensturz" ist Nonsens und Volksstück zugleich, Altenheimsatire und Mysterienspiel. ES GIBT KEINE SÜNDE IM SÜDEN DES HERZENS wurde 1997 mit dem Else-Lasker-Schüler-Preis ausgezeichnet und am Staatstheater Darmstadt uraufgeführt“ (Theater Osnabrück)




HIEROGLYPHEN DES JETZT. Materialen und Werkstattberichte
„Schau auf Deine Provinz!“ rät Herbert Achternbusch dem jungen Werner Fritsch 1976, nachdem er die ersten Texte des angehenden Autors gelesen hat. Ein Rat, den Fritsch bei der Arbeit an seinem ersten Roman, der Geschichte des Knechts Wenzel aus seiner oberpfälzischen Heimat, befolgt. CHERUBIM, 1987 erschienen, wird ein großer Erfolg. Seitdem ist ein umfassendes Oeuvre entstanden: Prosatexte, wie STECHAPFEL und STEINBRUCH, Hörspiele, Drehbücher, Essays, das »Gefecht« FLEISCHWOLF bis zu den zuletzt erschienenen Theaterstücken CHROMA- FARBENLEHRE FÜR CHAMÄLEONS und NICO. SPHINX AUS EIS – Zeit für einen Blick in die Werkstatt des Autors. Diese umfangreiche Materialiensammlung enthält Stimmen berühmter Kollegen zum Werk Werner Fritschs, Auszüge aus Rezensionen, Essays, Reden und Interviews sowie Texte von Werner Fritsch selbst: den programmatischen poetologischen Essay Hieroglyphen des Jetzt, die Rede zur Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden und ein Porträt von Pier Paolo Pasolini; eine umfangreiche Bibliographie schließt diese Materialiensammlung ab. (Suhrkamp)

 

STECHAPFEL. LEGENDE
STECHAPFEL ist die Geschichte eines Mannes namens Isidor und erzählt nicht mehr und nicht weniger als ein Leben auf dem Land, in der Natur. STECHAPFEL erzählt davon, wie einer sich zu Hause durchzusetzen hat, älter wird und bald schon seiner großen Liebe, Irmgard, begegnet, mit der er sich im Rausch des Glücks vereint. Isidor verliert Irmgard viel zu rasch wieder und sucht daraufhin, wie getrieben und verfolgt, das Dunkle, Bedrohliche und Verführerische, um am Ende der Opfer des deutschen Terrors, der zwischen 1933 und 1945 auch unweit von Isidors Geburtsort gewütet hat, zu gedenken und so die Schuld zu übernehmen und die Sünden zu büßen. STECHAPFEL ist eine »Legende« aus dem »Hinterland«, in dem die Dinge noch ihre »natürliche« Ordnung haben, STECHAPFEL inszeniert »Gewalt und Leidenschaft« auf dem Hintergrund wuchernder Mythen und wirft sein Licht auf Geschichten vom Leben und Geschichten vom Tod. Der Ich-Erzähler dieser Passion unserer Tage ist nicht zufällig ein (inzwischen des Amts enthobener) Geistlicher, der sich an Novalis' Diktum hält: »Jedes Menschen Geschichte soll eine Bibel sein«, und der auch weiß, dass jedes Menschen Geschichte auch ihre Sprache hat. Auf Isidor bezogen heißt dies, dass dessen Leben zunächst »in einer Sprache« zu erzählen ist, »die sich noch einmal ihrer Ursprünge zu entsinnen hätte, der großen Tradition der Übersetzung und Dichtung, um zu enden im Krematoriumsesperanto des Konzentrationslagers Flossenbürg...« Mit STECHAPFEL ist Werner Fritsch ein großer Gesang gelungen, die Beschwörung einer - exemplarischen - Vergangenheit, eine Prosa, die sich oft greller, bizarrer, wuchtiger und archaischer Bilder bedient, damit das Unsagbare sagbar wird, wenngleich es auch oft stumm zu bleiben hat, denn: Würden alle Momente eines Lebens beschrieben, »die Welt würde die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären.« (Suhrkamp)

 

FLEISCHWOLF. GEFECHT
FLEISCHWOLF. Gefecht ist ein wildes, rohes, ungebärdiges, ungemein kraftvolles Theaterstück, Das Drama eines ins Schlimmste gesteigerten Kriegs- des Kriegs in der Rotlichtbar »National«. In der Nähe eines Truppenübungsplatzes liegt diese Bar, Treffpunkt der Outlaws vom Lande, von Mädchen ohne Zukunft, von einsamen Greisen und jungen Soldaten der Bundeswehr. Im »National« prallen Gewalt und Leidenschaft, Stumpfsinn und Aggressivität aufeinander, entladen sich in Abständen, laden sich erneut auf, Hass und Abwehr alles Fremdenführen zu einem grässlichen Szenario - zu einem Weltuntergang im kleinen. (Suhrkamp)


CHERUBIM. Roman.
Ein alter Knecht, Wenzel Heindl, erzählt aus seinem Leben und seiner Welt. Es ist ein hartes Leben und eine magische Welt. Er erzählt in der Sprache seiner Heimat, der Oberpfalz, in einer kräftigen bilderreichen Sprache, die alles anschaulich und selbstverständlich ausdrückt, was uns Heutigen unverständlich geworden ist.
Suhrkamp Hauptprogramm. Frankfurt/M. 1987


STEINBRUCH
Werner Fritsch beschreibt in Steinbruch diese Welt aus der Sicht des Bundeswehrrekruten. Aber STEINBRUCH ist keine bloße antimilitaristische Erlebnisprosa und kein Erfahrungsprotokoll, sondern ein tobender und vom Grauen vorangetriebener innerer Monolog. (Suhrkamp)