Bücher

BACH. Ein Hörspiel von Werner Fritsch, Buch und CD des Hörspiels, SWR 2010, Moloko Print 2023

Dieses Hörspiel umkreist Ereignisse der Familiengeschichte des Autors: Allerheiligen auf Allerseelen 1945 wurden seine Großeltern von ehemaligen KZ-Häftlingen, die sich darauf verlegt hatten, allein stehende Bauernhöfe zu überfallen, vor den Augen ihrer Kinder ermordet. Der Vater des Autors hat buchstäblich bis zur Stunde seines Todes darunter gelitten. Ihm ist „BACH“ gewidmet. Augenblicke deutscher Geschichte am Beispiel eines Bauernhofes mit Sägewerk und Mühle werden erzählt: Vom 1870er Krieg bis zur Gegenwart, dem Sterbebett des Vaters. Aber auch das Schicksal der KZ-Häftlinge, die zu Raubmördern wurden, wird beleuchtet: Deren Deportation, die Qualen im Konzentrationslager, die Hinrichtungen.

DER WEG IST STEINIG. DIE STEINE SIND SCHÖN. Ein Mailwechsel über das Schreiben mit Bae Suah, Moloko Print 2022

Ein Mailwechsel über das Schreiben zwischen Bae Suah und Werner Fritsch

Liebe Bae Suah!
Ich habe gehört, das Buch, an dem Du derzeit schreibst, ist auch ein Briefroman. Plötzlich, aufgrund der Anfrage der Zeitschrift Flandziu über das Schreiben zu schreiben, hatte ich die Idee, über das Schreiben ingestalt eines Mailwechsels zwischen Dir und mir zu schreiben: außer Ort Datum Anrede nur Andeutungen über das Schreiben, nichts weniger …

Lieber Werner Fritsch!
Ich schreibe, was mir in gewissem Sinn tatsächlich passiert sein könnte …
Das ist etwas, das ich vielleicht gesehen habe, ohne zu sehen, oder besser gesagt, etwas, das mich gesehen haben könnte. Einen seltsamen Anfang hatte mein Schreiben: Ich war allein, ohne schreiben zu wollen, bis zu dem Tag, als ich an einem Computer das neu gelernte Word-Programm üben wollte …

Bae Suah: 1965 geboren in Seoul, zahlreiche Romane und Erzählungen, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Übersetzerin aus dem Deutschen: Robert Walser, Franz Kafka, Thomas Bernhard, Peter Handke, W.G. Sebald, Aglaya Veterani.
Im Herbst 2021 erschien ihr Roman Weiße Nacht im Suhrkamp Verlag. Außerdem ist Bae Suah Darstellerin im Filmzyklus Faust Sonnengesang von Werner Fritsch.

MIXING MEMORY & DESIRE I. Buch und CD des Hörspiels, SWR 2022, Moloko Print 2022

Der 1960 geborene vielfach ausgezeichnete Schriftsteller Werner Fritsch legt hier den ersten Teil seiner dichterischen Autobiografie vor. Fritschs in barocker Sprachmacht angelegte poetische Weltaneignung beschwört eine katholische Kindheit in der oberpfälzischen Einöde.

Im Glauben mit Gott zu sprechen, versucht er ein Heiliger zu werden – als die Natur Suchender, als von Sünden gepeinigter Ministrant oder als Drachentöter. Im Internat wird ihm buchstäblich die hochdeutsche Sprache eingebläut. Sein Ausweg: Jimi Hendrix zu werden …

MEIN HERZ IST LEER/DIE WILDEN WOGEN KOMMEN UND GEHEN. Haikus von Taneda Santoka, nachgedichtet von Werner Fritsch, mit beiliegender CD des Hörstücks von Deutschlandfunk, Moloko Print 2022

Haikus von Taneda Santoka
Nachgedichtet von Werner Fritsch

Die freien Haikus von Santoka Taneda sind ihrer „Sound-Bewußtheit“ wegen berühmt: oft werden Töne evoziert, ebenso oft Stille. Die Arbeit bestand darin, die Haikus nachzudichten & in eine Abfolge zu bringen, die von der Ausgangssituation des Sterbens, so eine Art „Lebens-Reise-Bilderfolge“ ergibt, die sich, der Natur des Haikus gemäß, durch die Jahreszeiten zieht. Gewidmet ist MEIN HERZ IST LEER : DIE WILDEN WOGEN : KOMMEN UND GEHEN dem Andenken meines Freundes Michael Altmann, Sprecher des gleichnamigen Hörspiels und natürlich dem Andenken Taneda Santokas.

NOFRETETE/DAS RAD DES GLÜCKS/MUTTER SPRACHE, Suhrkamp, Berlin 2016

Mehr als drei Jahrtausende greift Werner Fritsch in seinem neuen Stück zurück und gibt der legendären ägyptischen Königin klangvolle Stimme und tragische Gestalt. In der Grabkammer ihres jüngst verstorbenen Königsgemahls Echnaton erinnert sie ein bewegtes und gefährdetes Leben im Bannkreis der Macht. Echnaton, Dichterfürst und Religionsgründer, hatte mit Gewalt den Monotheismus in Ägypten eingeführt. Nun, nach seinem Tode, drohen die Verhältnisse zu kippen und die alte, mafiöse Priesterkaste wieder die Oberhand zu gewinnen.

Seine Nofretete, so Werner Fritsch, »soll zwischen den Zeiten pendeln, aus der Gegenwart zurück in die Vergangenheit, die immer mehr zur Metapher der Gegenwart wird.«

DIE SCHÖNSTEN GEDICHTE, Annette von Droste-Hülshoff, Hrsg. Werner Fritsch, Suhrkamp Insel, Berlin 2012

Annette von Droste-Hülshoff gehört bis heute zu den beliebtesten und meistgelesenen deutschen Dichterinnen. Ihre Balladen wie ›Der Knabe im Moor‹, ›Am Turme‹, ›Im Grase‹, ›Abschied von der Jugend‹ oder ›Am Bodensee‹ sind von einer schillernden Bildhaftigkeit und für ihre Ausdrucksstärke und Tiefgründigkeit berühmt. Die vorliegende Auswahl präsentiert die schönsten und bedeutendsten Gedichte aus dem Werk der »größten Dichterin Deutschlands« (Ricarda Huch).

LIEBESGEDICHTE, Octavio Paz, Hrsg. und Nachwort Werner Fritsch, Suhrkamp Insel, Berlin 2011

Octavio Paz, die Stimme Mexikos und Literaturnobelpreisträger, hat uns einige der »bewunderungswürdigsten Liebesgedichte geschenkt, die je in Lateinamerika geschrieben wurden« (Julio Cortazar). Kraftvolle, farbenfrohe Bilder erzählen von tiefer Leidenschaft, praller Erotik und dem Traum von der vollkommenen Vereinigung zweier Menschen.
»Große Gedichte der Weltliteratur! Wo gibt es Vergleichbares in unserer Zeit? Wo sind Verstand und lyrische Empfindung, wo Kopf und Herz so im Lot?« (Richard von Weizsäcker)

»wie durch die Welt geh ich durch deinen Körper / dein Bauch ist ein Platz, in der Sonne funkelnd / deine Brüste zwei Kirchen, worinnen das / Blut parallele Mysterien feiert, /  meine blicke bedecken dich mit Efeu  [aus: Sonnenstein]

DIE ALCHEMIE DER UTOPIE. Frankfurter Poetik Vorlesungen. Edition Suhrkamp. Frankfurt/ M. 2009

Zu Beginn des neuen Jahrs skizziert Werner Fritsch in fünf Vorlesungen den mit atemberaubender Dynamik expandierenden Kosmos seines vielfältig polymedialen, Gattungsgrenzen überschreitenden Werks, das Romane ebenso wie – häufig von ihm selbst realisiert – Hörspiele, Theaterstücke und Filme umfaßt.

DIE ROMANE, Bohumil Hrabal, Hrsg. und Nachwort Werner Fritsch, Suhrkamp, Frankfurt 2008

Wer ich bin: Antwort: „Ich hatte immer den Vorteil, keine echte Bildung und kein echtes Wissen zu haben, so setzte ich alles auf das Erlebnis. Meine Bildung wurde aber nie umgeschmolzen, sie konnte sich nie qualitativ verwandeln, nie einen Sprung anderswohin machen, und dies aus dem einfachen Grund, weil ich immer etwas beknackt war. Und vor allem, weil ich viel lese, ich lese also viel, und wenn ich viel zitiere, dann vergesse ich zu sagen, woher und von wem ich das Gesamte habe. Ich glaube, daß mein Modus vivendi in der gegenwärtigen Gesellschaft nie grundsätzlich dagegen ist, da ich weiß, wo und mit wem ich lebe: ich spreche gern darüber, daß am Anfang einer jeden neuen Epoche Menschen, wie auch ich einer bin, zwischen den Splittern des Bretts stecken, das die Geschichte zerbrochen hat.“

DAS MEER RAUSCHT UND RAUSCHT – BIS ES LAUSCHT, Werner Fritsch und Johanna Fritsch, Hörstück, Hrsg. Peter Freese, Universität Paderborn 2008.

Das kindliche Heranwachsen ist notwendig begleitet von Sprachaneignung und Sprachwerdung, es entstehen neue Wörter, zuweilen eine ganz eigene phantastische Kosmogonie. Werner Fritsch hat die Wörter und Sätze seiner Tochter Johanna über Jahre hinweg wortgetreu aufgezeichnet, die Sätze Johannas sind wirklich Sätze Johannas. Aufgenommen wurde der Großteil der Texte in einer Höhle in Matala/Kreta. „‚Das Meer rauscht und rauscht – bis es lauscht‘ ist die Exploration dieses kindlichen Bewusstseins. In jedem jungen Gehirn wird gleichsam die Welt neu erschaffen. Das Meer ist die Matrix aller Klänge – mit Ausnahme der Sprache. Vielleicht ist alles nur ein einziger Augenblick, in dem das Kind am Meer sitzt, mit sich selber spricht, Episoden aus seinem Leben erinnert, Dialoge mit seinem Vater, der Schwester, seiner Mutter memoriert oder imaginiert. Schließlich schläft es ein und ein großes Traum-Karussell dreht sich: ‚Wie die Erde drehte ich mich in einem Kreisel. Wie in so einem Rumpel-Pumpel-Karussell herum.’“ (Werner Fritsch)

ENIGMA EMMY GÖRING. Suhrkamp Hauptprogramm. Frankfurt/M. 2007

Das von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste als Hörspiel des Jahres prämierte Stück von Werner Fritsch ist der Monolog einer Frau, die entweder die übriggebliebene Gattin ihres Hermann ist oder eine Frau, die glaubt, diese zu sein: auf jeden Fall der Monolog einer Schauspielerin. Alles, was sie erzählt, ist so gräßlich harmlos, daß sich die lachenden Zuhörer entsetzen. Emmy, die ihre Schauspielerkarriere der Repräsentation im Zentrum der Macht geopfert hat, spricht nicht nur mit Hermann, Adolf und Gustaf, sondern auch als Hermann, Adolf und Gustaf.

DAS SIND DIE GEWITTER IN DER NATUR. Filmbuch. Edition Lichtung. Viechtach 2004

Das Filmbuch enthält den Text des gleichnamigen Films, den Werner Fritsch 1986-88 gedreht hat. Hauptfigur ist Wenzel Heindl, der Bauernknecht auf dem elterlichen Bauernhof, mit dem der Autor aufgewachsen ist. Wenzel sind auch die drei Fotoserien gewidmet, die ins Buch aufgenommen sind. Fritsch: „Zeitlebens hörte ich seine Geschichten. So lernte ich von ihm sprechen und vor allem erzählen.“ Daneben enthält das Buch den Essay „Wenzel und das Filmspielen“ und einige Fotos von den Dreharbeiten.

NICO. SPHINX AUS EIS. Suhrkamp Hauptprogramm. Frankfurt/M. 2004

Nico, Sängerin der Gruppe Velvet Underground, Ikone der 60er und 70er Jahre, Schlüsselfigur noch für die Punk- und Gothicbewegung. Andy Warhol nannte sie seine Mondgöttin, sie selbst sich Fatamorgana. Werner Fritsch reflektiert in einem großen Monolog die Arbeit und das Leben dieser Frau.

SCHWEJK?/ HYDRA KRIEG – Stücke und Materialien, Edition Suhrkamp. Frankfurt/M. 2004

Schwejk? Es gibt in der Weltliteratur Helden, die ihren Büchern entstiegen sind, sich mitten unter den Menschen angesiedelt haben und ihr eigenes Leben führen, unabhängig von ihrem Autor und dessen Sujet. Einer von diesen Helden ist der von Jaroslav Hašek erdachte Schwejk. Werner Fritsch hat den Titel seines Volksstücks mit einem Fragezeichen versehen. Man ahnt: Um eine Adaption des Hašek-Romans kann es sich nicht handeln. Uraufführung am 14. Februar 2003 am Landestheater Linz; Regie: Gerhard Willert

Hydra Krieg Werner Fritsch schreibt den Medea-Mythos neu und setzt den Akzent auf Jason und die Argonautenfahrt. Gleichzeitig versucht er, mit dem Text ins Zentrum einer terroristischen Attacke vorzudringen, die über den 11. September hinausweist. Hydra Krieg ist der kühne Versuch, Archaik und Aktualität zu verbinden. Uraufführung am 18. Oktober 2003 am Landestheater Linz; Regie: Gerhard Willert

HIEROGLYPHEN DES JETZT. MATERIALIEN UND WERKSTATTBERICHTE, Edition Suhrkamp 2305, Frankfurt 2002

Materialien und Werkstattberichte

Herausgegeben von Hans-Jürgen Drescher und Bert Scharpenberg

»Schau auf Deine Provinz!« rät Herbert Achternbusch dem jungen Werner Fritsch 1976, nachdem er die ersten Texte des angehenden Autors gelesen hat. Ein Rat, den Fritsch bei der Arbeit an seinem ersten Roman, der Geschichte des Knechts Wenzel aus seiner oberpfälzischen Heimat, befolgt. Cherubim, 1987 erschienen, wird ein großer Erfolg. Seitdem ist ein umfassendes Œuvre entstanden: Prosatexte, wie Stechapfel und Steinbruch, Hörspiele, Drehbücher, Essays, das »Gefecht« Fleischwolf bis zu den zuletzt erschienenen Theaterstücken Chroma. Farbenlehre für Chamäleons und Nico. Sphinx aus Eis – Zeit für einen Blick in die Werkstatt des Autors. Diese umfangreiche Materialiensammlung enthält Stimmen berühmter Kollegen zum Werk Werner Fritschs, Auszüge aus Rezensionen, Essays, Reden und Interviews sowie Texte von Werner Fritsch selbst: den programmatischen poetologischen Essay Hieroglyphen des Jetzt, die Rede zur Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden und ein Porträt von Annette Droste-Hülshoff; eine umfangreiche Bibliographie schließt diese Materialiensammlung ab.

CHROMA/EULEN:SPIEGEL – Stücke und Materialien, Edition Suhrkamp. Frankfurt/M. 2002

EULEN:SPIEGEL
Deutsche Geschichte
Werner Fritsch erschafft aus anarchischem Geist ein ganz eigenes Weltgebäude. Ärzte, Pfaffen, Braunschweiger Herzöge, Huren und Bauern: Keiner ist gegen den Witz und die Dreistigkeit Eulenspiegels gefeit. In der Figur des Eulenspiegel schlägt der Autor einen Bogen von den Märchen unserer Kindheit zu den Alpträumen unserer Gegenwart.
Werner Fritschs EULEN:SPIEGEL ist ein liederliches Possenspiel, eine verhurte Narretei, eine Traumlandschaft, ein Zauberbogen.
Uraufführung am 6. Januar 2002 am Staatstheater Braunschweig; Regie: Ernst M. Binder.

CHROMA
Farbenlehre für Chamäleons
Manila, 1963, in einem Hotelzimmer. Die letzten Stunden im Leben des Gustaf Gründgens. Er ist nicht allein. Mephisto ist bei ihm. Gründgens hat diese Rolle 1932 zum letzten Mal gespielt. Die äußere Gestalt, die Maske, die er ihm zehnjahre später in seiner eigenen Inszenierung gab und die er fortan beibehielt, hat den teuflischen Begleiter des Faust zur zentralen Bühnenfigur des letzten Jahrhunderts gemacht und seine Person unauflöslich mit dieser Erscheinung verbunden. Dieses – sein – Geschöpf sitzt ihm nun gegenüber, sitzt ihm im Nacken, begleitet und treibt ihn gleichermaßen durch den letzten Film am Ende seines Lebens. Gründgens hat den Faust nie gespielt. Auf seiner letzten Reise werden die Rollen getauscht. Im Angesicht des Todes erscheint ihm Mephisto als jüngeres Alter ego, das ihm verweigert, sich weiter hinter seiner Maske zu verstecken.
Uraufführung am 9. September 2000 auf der Expo Hannover (Produktion des Staatstheaters Darmstadt, Regie Thomas Krupa). Die Inszenierung wurde zum Berliner Theatertreffen 2001 eingeladen. TV-Aufzeichnung durch ZDF /3Sat.

ANNETTE VON DROSTE-HÜLSHOFF: LIEBESGEDICHTE. Ausgewählt von Werner Fritsch. Insel Verlag. Frankfurt/M 2002.

ALLER SEELEN. GOLGATHA. Traumspiel. Stücke und Materialien, Edition Suhrkamp. Frankfurt/M. 2000

Aller Seelen: Allerseelen 1943: Ein Mann wird vor Jen Augen seines kleinen Sohnes von Wehrmachtssoldaten unweit der slowenischen Grenze erschossen. Sie verdächtigen ihn, Partisanen unterstützt zu haben. Allerseelen 1945 die gleiche Szene in Deutschland: Aber dieses Mal wird der Mann von ehemaligen KZ-Häftlingen ermordet, die blindwütig Rache nehmen. Dazwischen liegt die Hölle eines KZs, datiert Allerseelen 1944. Golgatha: Pastor Kurt, ein Mann der Friedensbewegung und Verteidiger der Schwachen, wird des Mordes an seiner Frau Corinna angeklagt. Alles spricht dafür, daß er sie bestialisch umgebracht hat. In seinem Stück zeigt Werner Fritsch den Kampf des gesellschaftlich am Pranger stehenden Geistlichen, ohne sich ein Urteil über dessen Schuld oder Unschuld anzumaßen.

DIE LUSTIGEN WEIBER VON WIESAU. Lustspiel. Stück und Materialien, Edition Suhrkamp. Frankfurt/M. 2000

Werner Fritschs Lustige Weiber stammen aus Wiesau, also Deutschland, und der Zweite Weltkrieg ist gerade erst zu Ende. Die Biographien dieser Ururenkelinnen der Ford und Page aus Shakespeares Die lustigen Weiber von Windsor sind exemplarisch für eine Zeit der Neuorientierung, für die Etablierung einer sich wieder formierenden Gesellschaft. Wie bei Shakespeare. Major Baron von Fall bei Fritsch ist in diesem Sinne unbehaust wie Sir John Falstaff, der edle Ritter Shakespeares, Vertreter einer verwehten Epoche, deren Vorzüge niemand mehr schätzen will und dessen Ignoranz gegenüber der gegenwärtigen Ordnung – auch in den Schlafzimmern – nun nicht mehr hingenommen wird.

JENSEITS, Suhrkamp Hauptprogramm. Frankfurt/M. 2000

Mit »Jenseits« wagt sich der Autor und Filmemacher Werner Fritsch tief in die Seelenlandschaft eines Mannes, den die Unterwelt zeitlebens in Bann gezogen hat und jenseits von Gut und Böse, jenseits von Wirklichkeit und Halluzination, vielleicht schon jenseits seines eigenen Körpers befindet sich Wolfram Sexmachine Kühn, der verdächtigt wird, seine Ehefrau Cora, Mutter seines Sohnes Felix, umgebracht zu haben. Bevor ihn die Polizei stellt, wird er von jemandem, der sich hinter einer Karnevals-Hitlermaske verbirgt und ihm einen Revolver an den Kopf hält, bedroht. Wer aber ist der Mann hinter der Maske? Ist es Klostermeyer, der ehemalige Zuhälter Coras, in dessen Bett ihr toter Körper gefunden wurde? Oder einer von Klostermeyers Killern? Oder der Maler Johannes, der Cora kurz vor ihrem Tod gemalt hat? In Wolframs Kopf jedenfalls läuft wie im Zeitraffer sein Leben ab – der vielleicht ›letzte Film‹.
»Jenseits« ist: eine radikale Prosa, in der ein Mann in Sekunden des Entstetzens reflektiert, was ihm bleibend erinnerlich ist, und es dominieren: Bilder von Sex und Gewalt. »Jenseits« ist: eine rauhe Prosa mit einem ››metaphysischen Glutkern‹‹.

ES GIBT KEINE SÜNDE IM SÜDEN DES HERZENS – Stücke, Suhrkamp Taschenbuch. Frankfurt/M. 1998

Aus dem Paradies gefallen erscheinen Fritschs Gestalten: Wenzel, der alte, vor sich hin murmelnde Mann, der Welt im Wort beschwört, aber in der Enge eines Altersheims sitzt mit seinen Mitgenossen, dem martialischen Häcksler, der verrückten Turtel mit Dauerwellen und vielen weiteren skurrilen Figuren. Sie alle treiben ihr Unwesen im Heiliggeistspital, einem fröhlichgruseligen Ort, aus dem es nur in den Tod oder in den Himmel geht.

DER DISTEL MYSTISCHE ROSE: Gedichte und Prosa von Annette von Droste-Hülshoff, ausgewählt von Werner Fritsch, Insel Verlag. Frankfurt/M. 1998

In Erinnerung an »die größte Dichterin Deutschlands«, wie Ricarda Huch sie nannte, hat Werner Fritsch ein Droste-Lesebuch zusammengestellt. Die thematischen Schwerpunkte, deren Elemente sich immer wieder aufs neue durchdringen und verschlingen, konzentrieren sich auf den Dialog der Elemente, Landschaft und Natur von Drostes Heimat in Westfalen, Liebe und Schwärmerei, Teufelspakt, Doppeltes Gesicht, Mystik und Religion, Selbst- und Seelenbilder der Droste.

»Auf den ersten Blick schlug mich der spiritus familiaris des Roßtäuschers in Bann: den Sagenkern und die Geschichte vorneweg zu setzen, um dann, der Bleigewichte betulichen Erzählens bar, dem Furor ihrer sprachlichen Phantasie nur um so ungebremster die Zügel schießen lassen zu können, ist heutigentags noch kühn genug. Deswegen nehme ich diesen Text, der als geschlossenster Block Drostescher Sprachkraft in unser Jahrhundert ragt, zur Gänze in mein Lesebuch auf.«   Werner Fritsch

BÖHMEN: EIN LITERARISCHES PORTRÄT (mit Uta Ackermann), Insel Verlag.
Frankfurt/M. 1998

ES GIBT KEINE SÜNDE IM SÜDEN DES HERZENS– Höllensturz
in Spectaculum 64, Suhrkamp Verlag. Frankfurt/M. 1997

STECHAPFEL. Legende. Suhrkamp Hauptprogramm. Frankfurt/M. 1995

»Stechapfel« ist die Geschichte eines Mannes namens Isidor und erzählt nicht mehr und nicht weniger als ein Leben auf dem Land, in der Natur. ›Stechapfel‹ erzählt davon, wie einer sich zu Hause durchzusetzen hat, älter wird und bald schon seiner großen Liebe, Irmgard, begegnet, mit der er sich im Rausch des Glücks vereint. Isidor verliert Irmgard viel zu rasch wieder und sucht daraufhin, wie getrieben und verfolgt, das Dunkle, Bedrohliche und Verführerische, um am Ende der Opfer des deutschen Terrors, der zwischen 1933 und 1945 auch unweit von Isidors Geburtsort gewütet hat, zu gedenken und so die Schuld zu übernehmen und die Sünden zu büßen.
›Stechapfel‹ ist eine »Legende« aus dem »Hinterland«, in dem die Dinge noch ihre »natürliche« Ordnung haben, ›Stechapfel‹ inszeniert »Gewalt und Leidenschaft« auf dem Hintergrund wuchernder Mythen und wirft sein Licht auf Geschichten vom Leben und Geschichten vom Tod. Der Ich-Erzähler dieser Passion unserer Tage ist nicht zufällig ein (inzwischen des Amts enthobener) Geistlicher, der sich an Novalis‘ Diktum hält: »Jedes Menschen Geschichte soll eine Bibel sein«, und der auch weiß, daß jedes Menschen Geschichte auch ihre Sprache hat. Auf Isidor bezogen heißt dies, daß dessen Leben zunächst »in einer Sprache« zu erzählen ist, »die sich noch einmal ihrer Ursprünge zu entsinnen hätte, der großen Tradition der Übersetzung und Dichtung, um zu enden im Krematoriumsesperanto des Konzentrationslagers Flossenbürg…«
Mit ›Stechapfel‹ ist Werner Fritsch ein großer Gesang gelungen, die Beschwörung einer – exemplarischen – Vergangenheit, eine Prosa, die sich oft greller, bizarrer, wuchtiger und archaischer Bilder bedient, damit das Unsagbare sagbar wird, wenngleich es auch oft stumm zu bleiben hat, denn: Würden alle Momente eines Lebens beschrieben, »die Welt würde die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären.«

SENSE. Suhrkamp Hauptprogramm. Frankfurt/M. 1992

Lukas, ein vereinsamter Bauer mit generationstypischen Erlebnissen im Rußlandkrieg, der für ihn der einzige Ausbruch aus seiner engen Lebenswelt war, empfindet sich heute als Opfer von EG, fremden Einflüssen und maroden Zeitläufen. So schief sein Bild von der Welt auch ist, so eigen ist seine Sprache, deren Bilderwelt zur ungewollten Offenbarung seiner Wünsche wird.

FLEISCHWOLF. Gefecht. Edition Frankfurt/M. 1992

Fleischwolf. Gefecht ist ein wildes, rohes, ungebärdiges, ungemein kraftvolles Theaterstück, ist: das Drama eines ins Schlimmste gesteigerten Kriegs – des Kriegs in der Rotlichtbar »National«. In der Nähe eines Truppenübungsplatzes liegt diese Bar, Treffpunkt der Outlaws vom Lande, von Mädchen ohne Zukunft, von einsamen Greisen und jungen Soldaten der Bundeswehr. Im »National« prallen Gewalt und Leidenschaft, Stumpfsinn und Aggressivität aufeinander, entladen sich in Abständen, laden sich erneut auf, Haß und Abwehr alles Fremden führen zu einem gräßlichen Szenario – zu einem Weltuntergang im kleinen.

STEINBRUCH. Edition Suhrkamp. Frankfurt/M. 1989

Werner Fritsch beschreibt in Steinbruch diese Welt aus der Sicht des Bundeswehrrekruten. Aber STEINBRUCH ist keine bloße antimilitaristische Erlebnisprosa und kein Erfahrungsprotokoll, sondern ein tobender und vom Grauen vorangetriebener innerer Monolog.

CHERUBIM. Roman. Suhrkamp Hauptprogramm. Frankfurt/M. 1987

»Wenzel ist ein über achtzigjähriger Bauernknecht. Derzeit lebt er in einem Altersheim in der nördlichen Oberpfalz. Seit zehn Jahren zeichne ich seine Erzählungen auf.«

Cherubim ist Werner Fritschs erste Buchveröffentlichung. In zweihundertdrei Geschichten läßt sich lesen, wie einer, der an die Ewigkeit glaubt und daran, daß er dereinst unter Cherubim sein wird, »sein« und »unser« Jahrhundert erfahren hat: das Aufwachsen im Lumpenproletariat einer kleinen Porzellanstadt, die Arbeit auf Bauernhöfen, das Hochkommen eines Mannes, mit dem Wenzel sich urverwandt glaubt und der für ihn noch heute »der Hiltler« heißt, den Neubeginn nach dem Krieg, den Siegeszug der Technik, der vor den Wohnstuben nicht haltmacht, das langsame Älterwerden – Erfahrungen von Glück und Unglück, von Leben und Tod.